Hallo,
da prallen einfach zwei Philosophien aufeinander:
literarische und
juristische Sichtweise. "Zweiseitig oder mehrseitig" ist schlicht
Juristendeutsch.
Sprachlich gesehen ist "zweiseitig" natürlich in "mehrseitig" schon enthalten, in der Juristerei braucht man jedoch präzisere Unterscheidungen: "zweiseitig" meint dort, dass eben wirklich
nur 2 verschiedene Parteien an einem Rechtsgeschäft beteiligt sind, bei "mehrseitig" sind hingegen
mindestens 2 (oder mehr) Beteiligte gemeint. Auch wird "mehrseitig" als direkte Abgrenzung zu "einseitig" benutzt. Eigentlich wäre "mehrseitig" ausreichend,
zweiseitig ist aber noch ein Stückchen genauer als
mehrseitig.
typische Beispiele:
Kündigung = einseitiges Rechtsgeschäft (eine Person kann allein kündigen)
Geschenk = zweiseitiges/mehrseitiges Rechtsgeschäft (eine Person kann verschenken, eine andere muss das Geschenk annehmen)
Kaufvertrag = zweiseitiges/mehrseitiges Rechtsgeschäft (eine Person kauft etwas von einer zweiten Person)
Vertragsübernahme = mehrseitiges Rechtsgeschäft (z.B.: dritte Person "übernimmt" den Mietvertrag des vorherigen Mieters mit dessen Vermieter)
Anderes Beispiel mit demselben Hintergrund: Juristen schreiben oft
"und/oder", obwohl sprachlich gesehen das
"und" im
"oder" eigentlich schon mit drinsteckt - einfach deshalb, um etwas absolut präzise ausdrücken zu können, damit selbst die kleinsten Missverständnisse von vornherein ausgeschlossen sind.
In der "normalen" Sprache kann man es sich leisten, etwas ungenauer/mehrdeutiger zu schreiben, bei rechtlichen Sachverhalten kann man sich das nicht erlauben - und deshalb klingen rechtliche/geschäftliche Texte meist auch so hölzern, trocken und "unflüssig".
wineforparis hat geschrieben:Hallo,
Wenn ich "mehrseitige Rechtsgeschäfte" schreibe, schließe ich doch die zweiseitigen mit ein oder nicht?
Ja, absolut richtig. Wenn es nicht ausgerechnet um exakt zweiseitige Geschäfte geht, reicht "mehrseitig".
Viele Grüße!