Wenn es noch eines Beweises bedurfte, dass die Wendung „das macht Sinn“ endgültig im deutschen Sprachgebrauch verankert ist, dann muss man den Leuten nur mal zuhören. Während bis in die 80er und 90er Jahre noch mehrheitlich, fast ausschließlich auch in der Alltagssprache, etwas Sinn ergab, wird dieser Ausdruck zwischenzeitlich von kaum jemandem mehr verwendet – außer, wenn er sich absolut gewählt und vornehm ausdrücken möchte. Sogar im akademischen Sprachgebrauch hat sich das Sinnmachen etabliert, in der allgemeinen Prosa und Belletristik sowieso.

Das macht Sinn
Das Logo der GLS-Bank macht Sinn

Im Duden ist die Phrase noch immer als umgangssprachlich deklariert, doch davon kann inzwischen kaum noch die Rede sein. Was bedeutet das konkret für die Korrekturpraxis? „Sinnmachen“ wird mit wenigen Ausnahmen (z.B. wissenschaftliche Arbeiten) normalerweise nicht mehr als Stilfehler korrigiert/markiert. Wo wir „macht Sinn“ noch vor einiger Zeit zu „ergibt Sinn“ geändert haben, bleibt es nun unangetastet.

Der verkappte Anglizismus make sense ist damit vollständig im Deutschen angekommen.

Anatol Stefanowitsch hat es geschafft: Statt all den Anglizismennörglern ihre Unlogik im Bemühen um Sprachreinheit nur vorzuführen, dreht er den Spieß einfach um und lässt den „Anglizismus des Jahres“ wählen. Das aktuell auserkorene „Shitstorm“ ist in aller Munde und gernaufgegriffenes Thema in Tagesbegleitprogrammen und sonstigen Medien.

Aus sprachlich-pragmatischer Sicht hat die Aktion jedoch versagt, denn sie lenkt die Aufmerksamkeit auf ein bereits etabliertes Wort, bietet aber keine begriffliche Alternative an.

Das ist auch in der Tat nicht einfach. Shitstorm, das ist eine sich aufschaukelnde reflexhafte, streisandeffektbehaftete Unmutsäußerung gegenüber einer unliebsamen Meinung, Darstellung oder eines Vorganges, ein verbales Niedermetzeln im Internet, mit Elementen der Empörung, Wut, des Pöbelns, aber auch der sachlichen Kritik. Die von Wikipedia genannte „Empörungswelle“ trifft es nicht ganz (man würde eher noch von „einer Welle der Empörung“ sprechen), weswegen „Shitstorm“ durchaus seine Berechtigung hat und entsprechende Verbreitung gefunden.

Wie könnte man Shitstorm noch eindeutschen? Vorschläge sind willkommen!

Derzeit scheint es schick zu sein, Anglizismenkritiker durch den Kakao zu ziehen. Auslöser ist die Rede des Grünen-Abgeordneten Miro Jennerjahn im sächsischen Landtag, der mit Witz und Elan das Ansinnen der dortigen NPD-Fraktion, die Verwaltung auf das Vermeiden von Anglizismen zu verpflichten, genüsslich auseinanderpflückt, indem er etwa über Ursprünge des Englischen im „Urgermanischen“ referiert und dabei „Download“ kurzerhand zum Inbegriff altsächsischer „Sprachpflege vom Feinsten“ deklariert.

[youtube xAemDwDAZno]

Die Idee, dem Antrag aus der rechten Fraktion derart zu begegnen, ist grandios und unterhaltsam, wenn auch didaktisch fragwürdig vorgetragen. Die Kritik an der französischen Praxis, Lehnwörter zu vermeiden, mag in diesem Rahmen verständlich sein, aber dabei ausgerechnet den „Ordinateur“ als Beispiel anzuführen, zeugt von wenig Sachkenntnis. Es ist ein schönes französisches Wort (geworden) und wird in Frankreich selbstverständlich auch gebraucht und verstanden. In diesem Zusammenhang von „Parallelwelt“ zu sprechen, geht an der Realität vorbei. Es unterstellt eine Internationalität der Nationalsprachen, die es so nicht gibt. Schließlich wird auch nicht auf das deutsche Wort Handy verzichtet unter Hinweis darauf, dass Engländer und Franzosen es nicht verstehen. Auch würde man im Deutschen als Entsprechung für Computer eben nicht „Zusammenzähler“ sagen, sondern – wie vielerorts bereits sehr verbreitet – schlicht und einfach „Rechner“.

Vor allem geht bei der Begeisterung darüber, wie es hier der NPD vermeintlich intellektuell mal wieder gezeigt wurde, völlig unter, dass Kritik an inflationärem Gebrauch englischen Vokabulars durchaus seine Berechtigung hat und ein Thema darstellt, das man dem äußeren rechten Rand der Politik nicht allein überlassen sollte, sondern etwas ist, das allen Deutschsprechenden jeden Tag begegnet.

Nachtrag 1.11.: Ausführlichere, sprachhistorisch fundierte Kritik an Jennerjahns Argumentation bei Belles Lettres.

Wäre Bastian Sick nicht schon beim Spiegel, man müsste ihn hinschicken.

Schneesturm lässt Stadiumdach einstürzen

Ein Spiegel-Online-Redakteur kennt offenbar das Wort Stadion nicht und baut stattdessen gleich dreimal Stadium ein.

Nachtrag: Was der Redakteur nicht weiß, wissen die Leser: Spiegel-Online hat nach dezenten Hinweisen im Leserforum nachgebessert.

Im Zusammenhang mit den Enthüllungen von Wikileaks zum Meinungsbild des US-Konsulatwesens über heimische Politprominenz war in ebenso heimischen Medien in jüngster Zeit öfters davon zu lesen, dass eben jene brisanten Informationen in „Kabeln“ nach Amerika geschickt wurden. Moment – in Kabeln? Nicht etwa durch Kabel? Die Zeitungen übersetzten an dieser Stelle wörtlich, wo sinngemäße Translation angebracht gewesen wäre: Ein „cable“ ist auf Deutsch schlicht ein „Telegramm“. Dabei böte sich im Bereich des diplomatischen Sprachgebrauchs als alternative Vokabel auch die „Depesche“ geradezu an.

Das englische Verb „(to) handle“ hält schon seit längerer Zeit Einzug im Deutschen: statt zu sagen „wir bewerkstelligen das“ oder „das haben wir gut gehandhabt“ sagen immer mehr Deutschsprechende „wir handlen das“. Geschrieben wird es dann oft allerdings „wir handeln das“ (englisch ausgesprochen). Was nicht selten zu Verwirrung führt, weil es im Deutschen bereits das Wort Handel mit dem dazugehörigen Verb handeln (deutsch ausgesprochen) gibt.

Die Welt behebt das Problem, indem sie den Anglizismus „handlen“ einfach eindeutscht:

händeln

Respekt für soviel Mut in einem traditionellen Blatt (die konservativen Kommentatoren schäumen bereits), aber irgendjemand muss ja mal anfangen.

Das alte deutsche Wort „Händel“ hat mit der ganzen Geschichte übrigens nichts zu tun, Händel bedeutet (handgreiflicher) Streit/Zank.